Basra, Irak

Einsatz von Uranmunition
Panzer, die von DU-Munition getroffen wurden, wurden auf dem Schlachtfeld am Rande der Stadt zurück gelassen. Nach dem Ende der Kämpfe wurden diese Panzerfriedhöfe von Schrotthändlern und Souvenirjägern geplündert und von Kindern als „Abenteuerspielplatz“ benutzt. Foto: Wim Zwijnenburg

Durch den Einsatz von Munition mit abgereichertem Uran während des Golfkriegs 1991 wurde die Lokalbevölkerung nachhaltig erhöhten Strahlenwerten ausgesetzt. Dies könnte möglicherweise den signifikanten Anstieg von Krebserkrankungen und angeborenen Missbildungen erklären, der nach 1991 in der südirakischen Stadt Basra dokumentiert wurde.

Foto: Panzer, die von DU-Munition getroffen wurden, wurden auf dem Schlachtfeld am Rande der Stadt zurück gelassen. Nach dem Ende der Kämpfe wurden diese Panzerfriedhöfe von Schrotthändlern und Souvenirjägern geplündert und von Kindern als „Abenteuerspielplatz“ benutzt. © Wim Zwijnenburg

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Hintergrund

Abgereichertes Uran oder „DU“ (engl. „depleted uranium“) besteht überwiegend aus dem Isotop Uran-238 und ist ein Abfallprodukt des Anreicherungsprozesses zur Herstellung von reaktor- und waffenfähigem Uran. Im Golfkrieg von 1991 setzten die USA und Großbritannien DU-Munition ein. Die britische Royal Society of Medicine schätzt, dass 340 Tonnen abgereichertes Uran im Irak verschossen wurden. Wegen seiner hohen Dichte und der Fähigkeit, Panzerwände zu durchschlagen, wird vermutet, dass auch andere Länder DU-Munition verwenden. Da es sich bei abgereichertem Uran um radioaktiven Abfall handelt, ist der Stoff in allen Ländern mit einer Atomindustrie in großen Mengen verfügbar. In panzerbrechender Munition eingesetzt, wird das Uran beim Aufprall pulverisiert und entzündet sich spontan im Inneren des Fahrzeugs. Das entstehende Uranoxid-Aerosol mit Partikelgrößen im Nanobereich verhält sich wie ein Gas und kann mit dem Wind Hunderte von Kilometern transportiert werden. Mit einer physikalischen Halbwertzeit von etwa 4,5 Milliarden Jahren stellt der Uranstaub ein permanentes Gesundheitsrisiko nach bewaffneten Konflikten dar. Basra, eine Stadt mit 1,6 Millionen Einwohnern, wurde während des Golfkrieges heftigen Bombardements mit abgereichertem Uran ausgesetzt. Zudem wurden Panzer, die von DU-Munition getroffen wurden, auf dem Schlachtfeld am Rande der Stadt zurückgelassen. Nach dem Ende der Kämpfe wurden diese Panzerfriedhöfe von Schrotthändlern und Souvenirjägern geplündert und von Kindern als „Abenteuerspielplatz“ benutzt. So kamen selbst lange nach Ende der Kampfhandlungen zahlreiche Menschen, vor allem Zivilisten, mit radioaktivem Material in Kontakt.

Folgen für Umwelt und Gesundheit

Abgereichertes Uran kann durch Inhalation, Ingestion mit der Nahrung oder durch offene Wunden in den Körper gelangen. Ein Teil wird mit dem Urin ausgeschieden. Dabei werden die Nieren stark belastet. Bei starker Uranvergiftung kann akutes, tödliches Nierenversagen entstehen. Der Rest des Urans verbleibt im Körper, wo es insbesondere in Knochen eingebaut wird und von dort aus das umliegende Gewebe verstrahlt. Während Uran vorrangig eine Quelle von Alpha-Strahlung ist, können seine Spaltprodukte auch Beta- und Gamma-Strahlung emittieren. Die innere Verstrahlung führt zu Mutationen, Krebs und angeborenen Fehlbildungen. In Tierversuchen wurden teratogene und genetische DU-Effekte nachgewiesen. Mit epidemiologischen Studien wurden gesteigerte Fehlbildungsraten bei Neugeborenen festgestellt, deren Väter oder Mütter DU ausgesetzt waren.

Nach dem Golfkrieg stieg die Rate von Krebserkrankungen und kindlichen Missbildungen nahe der Schlachtfelder, auf denen DU-Munition verwendet wurde, an. Eine umfassende Studie aus Basra fand einen signifikanten Anstieg angeborener Anomalien bei Kindern: 7,76 pro 1.000 Geburten im Jahr 1998 statt 3,04 pro 1.000 Geburten im Jahr 1990. Neben angeborenen Herzfehlern und Chromosomenveränderungen wurden auch schwere Missbildungen wie Anenzephalie (fehlendes Gehirn), Zyklopie (Einäugigkeit) oder Gastroschisis (fehlender Bauchdeckenschluss) sowie Spina bifida (offener Rücken), fehlende Extremitäten, Fischhaut, Gaumenspalten und Gedeihstörungen beobachtet. Eine Studie der Universität von Basra fand bei Kindern eine Verdopplung der Leukämierate und eine Verdreifachung der Rate aller Kinderkrebserkrankungen zwischen 1990 und 1999. Im Rahmen einer Feldstudie wurden zahlreiche Orte mit erhöhten Strahlenwerten gefunden – vor allem in der Nähe der Panzerfriedhöfe.

Ausblick

Die Konsequenzen des militärischen Einsatzes von DU-Munition auf die Zivilbevölkerung kommen erst langsam zutage. Dem UN Umwelt-Programm zufolge hat „der intensive Gebrauch von Waffen mit abgereichertem Uran wahrscheinlich zu einer Kontaminierung der Umwelt geführt, deren Ausmaß oder Folgen noch unbekannt sind“.

Ebenfalls betroffen sind die Bewohner des Kosovo und Serbiens, wo DU-Munition während des Kriegs von 1999 eingesetzt wurde, die Einwohner von Falludscha, deren Stadt 2004 mit DU-Munition beschossen wurde sowie britische und US-amerikanische SoldatInnen. Sie alle sind Hibakusha, denn ihre Gesundheit wurde durch Uranwaffen nachhaltig geschädigt – Waffen, die nicht existieren würden, wenn die Atomindustrie nicht Uran für Reaktoren und Atomwaffen anreichern würde.

Weiterführende Literatur

Quellen

  • Moszynski P. „Royal Society warns of risks from depleted uranium“. BMJ. 2003 May 3;326(7396):952. www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1125878/
  • Hindin et al. „Teratogenicity of depleted uranium aerosols: A review from an epidemiological perspective“. Environ. Health, 4:17, 2005. www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC1242351/
  • Briner WE. „The evolution of depleted uranium as an environmental risk factor“. Int J Environ Res Public Health. 2006 Jun;3(2):129-35. www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16823086
  • Yacoub et al. „Depleted uranium and health of people in Basrah: epidemidogical perspective. Incidence and pattern of malignent cases among children in Basrah“. Medical Journal of Basrah University 1999; 17:17-25.
  • Yacoub et al. „Further evidence on the relation between depleted uranium and the incidence of malignancies (with specific reference to leukaemias) among children in Basrah, southern Iraq“. Medical Journal of Basrah University 2000; 18:3-6.
30.526336, 47.82967