Bikini und Eniwetok, Marshallinseln

Atomwaffentest
Am 25. Juli 1946 zündete die US-Armee den „Baker“-Unterwasseratomtest in der Nähe des Bikini-Atolls mit einer Sprengkraft von 21.000 Tonnen TNT-Äquivalent. Insgesamt fanden zwischen 1946 und 1962 auf den Marshallinseln 106 Atombombenversuche statt. © U.S. Department of Defense

Atomwaffentests auf den Bikini- und Eniwetok-Atollen machten ganze Inselgruppen unbewohnbar. Tausende von Menschen wurden hohen Dosen von Radioaktivität ausgesetzt. Weltweit stieg die Belastung mit strahlenden Partikeln durch radioaktiven Niederschlag an.

Foto: Am 25. Juli 1946 zündete die US-Armee den „Baker“-Unterwasseratomtest in der Nähe des Bikini-Atolls mit einer Sprengkraft von 21.000 Tonnen TNT-Äquivalent. © U.S. Department of Defense

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Hintergrund

Die beiden Atolle Bikini (Pikinni) und Eniwetok (Āne-wātak) sind Teil der Marshallinseln. Sie wurden im Zweiten Weltkrieg zunächst von den Japanern, später dann von den US-Streitkräften besetzt. Die US-Streitkräfte wählten das Bikini-Atoll für ihre ersten Atomexplosionen nach dem Abwurf der Bomben auf Hiroshima und Nagasaki aus. Nach der Evakuierung der Inselbewohner wurde am 1. Juli 1946 die Atombombe „Able“ über einer Flotte erbeuteter Schiffe gezündet, die mit Versuchstieren gefüllt waren. Fünf der 78 Schiffe sanken, 14 wurden zerstört. Ein Drittel der Tiere starb infolge der Druckwelle. Marinesoldaten mussten die Decks der verbleibenden Schiffe vom radioaktiven Niederschlag reinigen und waren so hohen Strahlenwerten ausgesetzt. Da sich die Dekontaminierung schließlich als unwirksam erwies, wurden viele der Schiffe im Pazifik versenkt. Insgesamt fanden zwischen 1946 und 1958 auf den Bikini und Eniwetok Atollen 67 Atombombenversuche mit einer Gesamtsprengkraft von etwa 214 Megatonnen statt. Der verheerendste Test war 1954 „Castle Bravo“. Mit 15 Megatonnen hatte diese Wasserstoffbombe die höchste Sprengkraft, die das US-Atomwaffenprogramm jemals erreichte; 1.000-mal stärker als die Hiroshimabombe. Der radioaktive Niederschlag ging um die halbe Welt – nach Australien, Europa und in die USA.

Mehr als 400 Atombombentests waren weltweit durchgeführt worden, bevor 1963 der „Vertrag über das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser“ überirdische Atomtests untersagte. In den Zähnen von Kindern waren signifikante Mengen von radioaktivem Strontium gefunden worden – ein aussagekräftiges Indiz für den Umfang der Strahlenexposition, dem die gesamte Weltbevölkerung durch die Atombombentests ausgesetzt wurde.

Folgen für Umwelt und Gesundheit

Die Auswertung der Dosimeter der Soldaten während eines routinemäßigen Atomwaffentests zeigte individuelle Dosen von bis zu 600 mSv im Laufe eines zweiwöchigen Einsatzes – dem 7.500-fachen der natürlichen Hintergrundstrahlung (ca. 0,09 mSv über einen Zeitraum von zwei Wochen) oder dem Äquivalent von etwa 30.000 Röntgenuntersuchungen (0,02 mSv pro Untersuchung). Die Exposition durch innere Verstrahlung wurde dabei nicht berücksichtigt. Und nicht alle Tests waren „Routine“: Die Detonation von „Castle Bravo“ im Jahr 1954 übertraf die erwartete Strahlenbelastung um 200 %, verbreitete radioaktiven Niederschlag über 11.000 km² und kontaminierte mehrere bewohnte Inseln, darunter Rongerik, Rongelap und Utrik sowie ein japanisches Fischereischiff. Direkt nach der Exposition litten viele Inselbewohner und die japanische Schiffsbesatzung unter akuter Strahlenkrankheit. Die Bewohner einiger kontaminierter Inseln wurden zwei oder drei Tage nach „Castle Bravo“ evakuiert und Langzeituntersuchungen unterzogen, wobei sich erhöhte Krebsraten zeigten. Vor allem Schilddrüsenkrebs trat häufig auf, vermutlich ausgelöst durch das kurzlebige Jod-131. Weitere relevante Quellen von Radioaktivität sind langlebige Radioisotope wie Cäsium, Strontium und Plutonium, die mit dem radioaktiven Fallout auf die Inseln niedergingen. Sie können Krebs verursachen, wenn sie mit der Nahrung oder über die Atemluft im Körper aufgenommen werden.

Nach dem Ende der Atomwaffentests wurden Teile des hoch kontaminierten Eniwetok-Atolls mit einem acht Meter hohen Betonsarkophag versiegelt. Das Bikini-Atoll hingegen war zu kontaminiert für eine Säuberung. Die einheimische Bevölkerung wurde mehrfach umgesiedelt und drohte sogar zu verhungern, als sie auf Inseln ausgesetzt wurde, die keine Landwirtschaft zuließen. Noch 1994 stellte die Internationale Atomenergieorganisation IAEO fest, dass das Bikini-Atoll für eine Wiederbesiedlung zu radioaktiv verseucht und die Tier- und Pflanzenwelt dort immer noch hochgradig kontaminiert sei.

Ausblick

Nach mehr als 1.000 Atomexplosionen beendeten die USA 1992 ihr Atomwaffentestprogramm. Bislang haben sie jedoch noch immer nicht den Atomwaffenteststopp-Vertrag ratifiziert, der Atomwaffenexplosionen verbietet. Im Jahre 1986 wurde eine mit 150 Millionen US-Dollar ausgestattete Stiftung gegründet, um die Bewohner der Marshallinseln zu entschädigen, die aufgrund der Atomwaffentests radioaktivem Niederschlag ausgesetzt waren. Etwa 40 % der Betroffenen starben allerdings, ohne dass sie die volle Entschädigung erhielten. Auch war die Summe insgesamt sehr gering. Dies war Anlass für eine Petition des Präsidenten der Marshallinseln an den US-Kongress im Jahre 2000, in der er weitere Projekte zur Dekontamination, ein umfassenderes Entschädigungsprogramm und eine bessere Gesundheitsüberwachung forderte. Die Petition traf auf taube Ohren, sodass viele Betroffene, insbesondere die vertriebene Bevölkerung des Bikini-Atolls, den Klageweg beschritten. Ihre Klagen wurden jedoch im Jahre 2010 vom Obersten Gerichtshof der USA abgewiesen. Mittlerweile hat die Regierung der Marshallinseln die Atomwaffenstaaten vor dem Internationalen Strafgerichtshof verklagt, da sie ihren Abrüstungsverpflichtungen gemäß des Atomwaffensperrvertrag nicht nachkommen. Der Kampf um Anerkennung für die Hibakusha der Marshallinseln geht weiter.

Quellen

11.589015, 165.341263