Wismut-Region, Deutschland

Uranbergbau
Ein Hauer bohrt eine erzführende Schicht an. Ein effektiver Schutz der Arbeiter vor radioaktivem Staub und Gas bestand vor allem während der ersten Jahre der Wismut nicht. Foto: Andreas Köhler

Im sächsischen Erzgebirge und in Ostthüringen wurde von der Sowjetisch-Deutschen Aktiengesellschaft Wismut zwischen 1946 und 1990 Uranerz gefördert. Viele Tausende Arbeiter und Bewohner der Region leiden bis heute an strahleninduzierten Erkrankungen wie Lungenkrebs.

Foto: Ein Hauer bohrt eine erzführende Schicht an. Ein effektiver Schutz der Arbeiter vor radioaktivem Staub und Gas bestand vor allem während der ersten Jahre der Wismut nicht.
Foto: Andreas Köhler

Poster als PDF (Download)

Hintergrund

Uranerz, die sogenannte „Pechblende“, wurde im 19. Jahrhundert im Erzgebirge entdeckt und diente zunächst wissenschaftlichen Untersuchungen, wie denen von Marie Curie, die erstmals die Radioaktivität definierte. Während des Nationalsozialismus wurde der Abbau intensiviert, um die Pläne zur Entwicklung einer Atombombe in Deutschland umzusetzen. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Uranoxid aus dem Erzgebirge von der Sowjetunion konfisziert, um das eigene Atomprogramm damit voranzutreiben.

Der Bergbau in der Region wurde nach Kriegsende derart gefördert, dass das Erzgebirge 1947 mit einer jährlichen Liefermenge von 145 Tonnen rasch zur wichtigsten Uranquelle für das sowjetische Atomprogramm wurde. Im Mai desselben Jahres wurde die sowjetische Kapitalgesellschaft „Wismut“ gegründet und weitere Bergwerke im Erzgebirge und rund um die ostthüringische Stadt Ronneburg erschlossen. Mehr als 40.000 Zwangsarbeiter wurden dort eingesetzt, sodass im Jahr 1950 der jährliche Ertrag an Uranoxid bereits 1.000 Tonnen erreicht hatte.

In den 1950er Jahren wurde die DDR offizielles Mitglied der Wismut Kapitalgesellschaft. Mehr als 130.000 Bergleute arbeiteten in den über 20 Minen der Region. Die Wismut wurde der weltweit drittgrößte Uranlieferant, mit einer Gesamtfördermenge von 200 Millionen Tonnen Uranerz bis zur Schließung der Minen 1990.

Folgen für Umwelt und Gesundheit

Durch den Abbauprozess des Uranerzes wurden radioaktive Isotope wie Radon, Polonium und Bismut freigesetzt. Diese Partikel wurden von den Bergarbeitern eingeatmet und verblieben in der Lunge, wo sie über Jahre das umliegende Gewebe verstrahlten. So entstanden Zellschäden, Mutationen und letztlich Krebs.

Über die Jahre wurden ca. 395 Millionen Kubikmeter strahlende Rückstände auf insgesamt 48 Abraumhalden geschüttet und so ein Gebiet von etwa 3.700 Hektar nachhaltig radioaktiv verseucht. Ein zusätzliches Problem stellen die hochgiftigen Tailings dar – Schlämme, die im Rahmen der Erzaufbereitung entstehen. Aus 200 Millionen Tonnen gefördertem Uranerz konnten 216.000 Tonnen aufgereinigtes Uran extrahiert werden. Dabei entstanden 197 Millionen Tonnen radioaktive Tailings, die in Absetzbecken gelagert wurden und eine enorme Gefahr für Umwelt und Gesundheit der Lokalbevölkerung darstellten. 1954 kam es bei Lengenfeld zu einem Dammbruch eines solchen Beckens. 50.000 m³ radioaktives Material ergossen sich talabwärts über eine Strecke von vier Kilometern. Radioaktives Abwasser gelangte ins Trinkwasser und strahlende Partikel vom Abraum wurden durch Wind und Wetter in der Region verteilt. Silikose und Lungenkrebs wurden zu einem relevanten Gesundheitsrisiko für Bergleute aber auch für die und Lokalbevölkerung.

Die Strahlenbelastung der Bevölkerung wurde in der Region erstmals 1956 gemessen, die Messergebnisse jedoch über viele Jahrzehnte geheim gehalten. Im Jahr 2006 veröffentlichte das Deutsche Bundesamt für Strahlenschutz die bis heute weltweit größte Studie zum Uranbergbau, bei der insgesamt 59.000 ehemalige Bergarbeiter der Wismut untersucht wurden.

Die Ergebnisse, veröffentlicht auch im „British Journal of Cancer“, zeigten einen Anstieg der Lungenkrebsrate um 50 bis 70 Prozent sowie über 7.000 strahleninduzierte Todesfälle unter den 59.000 untersuchten StudienteilnehmerInnen (11,9 %). Weiterhin zeigte die Studie, dass das Risiko für die Entwicklung von Lungenkrebs 15 bis 24 Jahre nach der Uranexposition am höchsten ist, sodass auch in Zukunft zahlreiche Neuerkrankungen erwartet werden dürften.

Ausblick

Das Nachfolgeunternehmen der Wismut ist heutzutage eine staatlich geförderte GmbH mit der Aufgabe, die Folgen von 50 Jahren Uranbergbau zu sanieren. Maßnahmen wie das Fluten von Minen, die Wasseraufbereitung, die Entsorgung von radioaktiver Schlacke und Abraum sowie die Rekultivierung der Landschaft haben den deutschen Staat bis 2014 mehr als sieben Milliarden Euro gekostet und werden für Jahrhunderte fortgeführt werden.

Währenddessen kämpfen noch immer viele Betroffene um Gerechtigkeit und Entschädigung. Nach Angaben des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften (HVBG) wurden bis 2001 insgesamt 7.963 Fälle von Lungenkrebs als Berufskrankheit der Bergleute anerkannt. Die Dunkelziffer liegt wohl um ein Vielfaches höher. Für Anwohner der Region, die ebenfalls erhöhten Strahlenwerten ausgesetzt waren, gibt es keine vergleichbaren Regelungen und so wird das Vermächtnis des Uranbergbaus noch für viele Jahrzehnte die Region und die Gesundheit ehemaliger Bergleute und der Lokalbevölkerung negativ beeinflussen. Auch sie sind Hibakusha, die unter den Folgen der militärischen und zivilen Atomindustrie leiden.

Weiterführende Lektüre

Quellen

50.608762, 12.690647