Kiritimati und Malden, Kiribati

Atomwaffentest
Unterwasser-Atomexplosion „Swordfish“ bei der US-amerikanischen „Operation Dominic“-Atomtestreihe, 16 Kilometer südlich von Christmas Island, 11. Mai 1962. Im Vordergrund liegt der Zerstörer USS Agerholm. Foto: US Navy, D.D. Mann

Auf zwei Atollen der Republik Kiribati detonierten Großbritannien und die USA in den 1950er und 1960er Jahren insgesamt 33 Atombomben. Tausende Inselbewohner und Soldaten, die der Bestrahlung und dem radioaktiven Niederschlag ausgesetzt waren, leiden bis heute unter den Strahlenfolgen.

Foto: Unterwasser-Atomexplosion „Swordfish“ bei der US-amerikanischen „Operation Dominic“-Atomtestreihe, 16 Kilometer südlich von Christmas Island, 11. Mai 1962. Im Vordergrund liegt der Zerstörer USS Agerholm. © US Navy, D.D. Mann

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Hintergrund

Das Pazifikatoll Kiritimati (früher die britische Kolonie „Christmas Island“) diente im Zweiten Weltkrieg der US-Luftwaffe als Zwischenstopp auf dem Weg nach Japan. Nach dem Krieg nutzte Großbritannien die Atolle für die experimentelle Detonation von Wasserstoffbomben. Aufgrund von Verträgen mit der australischen Regierung durften diese nicht auf dem britischen Atomwaffentestgelände in Maralinga detoniert werden. Unter dem Codenamen „Operation Grapple“ wurde am 15. Mai 1957 vor der Küste von Malden die erste britische Wasserstoffbombe gezündet, die jedoch, ebenso wie zwei Folgetests im nächsten Monat, nicht die erwartete Sprengkraft entfaltete. Die Tests erreichten eine Sprengkraft von maximal 720 Kilotonnen TNT-Äquivalent, also über 50-mal mehr als die Atombombe, die über Hiroshima abgeworfen wurde. Am 8. November 1957 folgte der erste erfolgreiche Wasserstoffbombentest über Christmas Island, dem von der Landfläche her größten Korallenatoll der Welt. Die Detonation fiel mit einer Sprengkraft von 1,8 Megatonnen etwa 80 % stärker aus als erwartet und zerstörte eine Vielzahl von Gebäuden und Infrastruktur auf der Insel. Zwischen April und September 1958 führte das britische Militär fünf weitere Explosionen über oder in der Nähe von Christmas Island durch, deren größte mit einer Sprengkraft von drei Megatonnen etwa die 240-fache Zerstörungskraft der Hiroshimabombe aufwies. Mehrere Tausend Soldaten wurden im Rahmen der Testreihen radioaktiver Strahlung ausgesetzt.

In den Folgejahren begannen, aufgrund der besorgniserregenden Zunahme der Radioaktivität in der Erdatmosphäre, auf internationaler Ebene die Verhandlungen über einen teilweisen Atomteststopp. Als ein Ergebnis in greifbare Nähe rückte, „liehen“ sich die USA von Großbritannien die Insel noch für eine atomare Testserie aus: Während der „Operation Dominic“ wurden zwischen dem 25. April und dem 11. Juli 1962 auf Christmas Island 24 oberirdische Atomexplosionen gezündet. Die größte einzelne Explosion entwickelte eine Sprengkraft von 7,65 Megatonnen. Während dieser Tests waren mehrere Tausend Armeeangehörige auf der Insel stationiert. Auch die einheimische Bevölkerung wurde nicht evakuiert. 1963 unterzeichneten Großbritannien, die USA und die Sowjetunion schließlich den Vertrag über das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser. 1979 wurde Christmas Island, zusammen mit anderen ehemals britisch besetzten Inseln, als „Republic of Kiribati“ unabhängig, der Inselname wird seither „Kiritimati“ geschrieben, entsprechend der einheimischen Aussprache von „christmas“.

Folgen für Umwelt und Gesundheit

Im Rahmen der Atomwaffentests auf Malden und Christmas Island waren die Inselbewohner sowie die Soldaten der USA, Großbritanniens, Neuseelands und der Fiji-Inseln hohen Strahlendosen ausgesetzt. Durch die Atomexplosionen entstehende Gamma-Strahlung traf Beobachter der Tests auf der Insel, auf Schiffen oder in Flugzeugen weitgehend ungeschützt. Abschirmende Kleidung existierte nicht, da die Gefahren radioaktiver Strahlung damals vonseiten der Militärführung ignoriert wurden. Radioaktiver Niederschlag erhöhte die Gesamtdosis weiter: Inselbewohner und Soldaten bewegten sich auf der Insel frei umher, verzehrten kontaminierte Früchte, badeten in verseuchten Lagunen und atmeten radioaktiven Staub ein.

300 ehemalige Bewohner Kiritimatis reichten 2006 eine Petition im Europäischen Parlament ein, in der sie der britischen Regierung vorwarfen, gegen besseres Wissen eine radioaktive Exposition der Lokalbevölkerung in Kauf genommen zu haben. Obwohl inzwischen freigegebene Regierungsdokumente von damals explizit vor „sehr gefährlicher Kontamination“ durch radioaktiven Niederschlag warnten, unterblieben Warnungen oder Schutzmaßnahmen für die Inselbevölkerung. Heute leiden viele der ehemaligen Bewohner an den Langzeitfolgen radioaktiver Strahlung. Gesundheitliche Untersuchungen der betroffenen Bevölkerung wurden nicht unternommen. Unter den exponierten Soldaten hingegen wurde in einer Studie der Universität von Dundee ein deutlich erhöhtes Auftreten von Multiplem Myelom und andere Krebsformen sowie grauem Star, Arthritis, Magen-Darm-Problemen und Atemwegserkrankungen gefunden. Darüber hinaus weisen Nachkommen der Betroffenen eine erhöhte Rate von Missbildungen auf. Eine Fall-Kontroll-Studie an betroffenen neuseeländischen Soldaten zeigte einen engen Zusammenhang zwischen der Strahlendosis und genetischen Langzeitschäden, die zu verschiedenen Krebsformen, insbesondere Blutkrebs und Knochentumoren führten. Die britische Regierung bestreitet einen Zusammenhang mit den Atomwaffentests.

Ausblick

Aufgrund der Datenlage und angesichts zunehmender Gesundheitsprobleme in ihren Reihen beginnen Veteranen der Atomwaffentests, die damals ergriffenen Schutzmaßnahmen infrage zu stellen und werfen der Armeeführung vor, sie als Versuchskaninchen missbraucht zu haben. Verschiedene Veteranenverbände haben eine Sammelklage gegen das britische Verteidigungsministerium eingereicht und eine gerichtliche Auseinandersetzung eingeleitet, die bis heute andauert. Noch immer ist auf den Inseln erhöhte Radioaktivität nachweisbar. Erst 2004 wurden einige Bereiche gereinigt und strahlender Müll nach Großbritannien verschifft. Umfassende Studien zu den Gesundheitsfolgen bei Soldaten und Inselbewohnern fehlen bis heute, genau wie Entschädigungen für die Überlebenden der britischen und US-amerikanischen Atomwaffentests im Pazifik. Auch sie sind Opfer von Atomwaffen; auch sie sind Hibakusha.

Quellen

1.728711, -157.204971