Maralinga, Australien

Atomwaffentest
Ground Zero des Taranaki-Tests (1957) in Maralinga. 1967 wurde das Areal geschlossen. Das Gelände konnte trotz zweier Sanierungsoperationen nicht ausreichend dekontaminiert werden. Foto: News Ltd. – Sydney NSW

Zwischen 1955 und 1963 unternahm das Vereinte Königreich sieben große und Hunderte kleinerer Atomwaffentests im südaustralischen Maralinga. Das gesamte Gebiet wurde dadurch nachhaltig radioaktiv verseucht und viele Menschen hoher Strahlung ausgesetzt. Den Opfern wird bis heute die ihnen zustehende Anerkennung, medizinische Versorgung oder Entschädigung vorenthalten.

Foto: Ground Zero des Taranaki-Tests (1957) in Maralinga. 1967 wurde das Areal geschlossen. Das Gelände konnte trotz zweier Sanierungsoperationen nicht ausreichend dekontaminiert werden. Foto: News Ltd. – Sydney NSW

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Hintergrund

Australiens Premierminister Robert Menzies gestatte dem Vereinigten Königreich 1952 ohne Abstimmung mit dem Parlament die Durchführung von Atomwaffentests auf australischem Boden. Nach den ersten britischen Atomwaffentests auf den Montebello-Inseln und in der Wüste um Emu Field, wurde im Mai 1955 der Ort Maralinga zum britisch-australischen Atomtestgebiet erklärt. In den darauf folgenden Jahren wurden hier sieben große Detonationen von Atombomben mit 1 bis 60 Kilotonnen TNT-Äquivalent durchgeführt. Zum Vergleich: Die Sprengkraft der Hiroshimabombe betrug etwa 13–15 Kilotonnen TNT-Äquivalent.

Im Rahmen der „Operation Buffalo“ wurden 1956 vier Atombomben gezündet und Tiere, Soldaten und Zivilisten der Strahlung ausgesetzt. 1957 folgten die drei Detonationen der „Operation Antler“. Diese großen Tests erzeugten verschiedene Muster von radioaktivem Niederschlag, der große Landstriche kontaminierte. Die offiziellen Strahlenmessungen waren unvollständig und wurden vor der Öffentlichkeit und teilweise sogar vor der australischen Regierung geheim gehalten.

Zusätzlich müssen etwa 600 kleinere Tests von Atomwaffenbestandteilen, die Verkippung überschüssiger radioaktiver Materialien sowie die Folgen zahlreicher Unfälle mit in die Bilanz der Atomwaffentests einbezogen werden. Insgesamt wurden etwa 24,4 kg Plutonium, 101 kg Beryllium und 8.083 kg Uran bis zu 100 km mit dem Wind verstreut und verseuchten dabei eine Fläche von etwa 450 km². 1967 wurde das Areal geschlossen. Das Gelände konnte trotz zweier Sanierungsoperationen bis heute nicht ausreichend dekontaminiert werden. Plutonium-239 hat eine Halbwertszeit von 24.000 Jahren.

Folgen für Umwelt und Gesundheit

Wie schon während der Atomwaffentests in Emu Field waren vor allem die australischen Aborigines der stärksten Strahlung ausgesetzt. Vor den Atomexplosionen wurde die Region von Pitjantjatjara und Yankunytjatjara bewohnt und von anderen Stämmen häufig durchquert. Im Rahmen der Atombombentests kamen viele von ihnen mit radioaktivem Niederschlag in Form von „Schwarzem Nebel“ in Kontakt. Warnschilder auf Englisch konnten die Aborigines für gewöhnlich nicht verstehen. Untersuchungen über die gesundheitlichen Auswirkungen der Strahlung auf die indigene Bevölkerung scheiterten, da die untersuchten Personen nicht hinreichend identifiziert oder nachverfolgt wurden. Ein Dekontaminationseinsatz im Jahr 1990 versuchte, kontaminierte Erde unter die Oberfläche zu graben, wirbelte dabei allerdings Tausende Tonnen radioaktiven Staubs auf, der erneut verweht wurde. Die zusätzliche Strahlendosis durch den radioaktiven Niederschlag wird für die Aborigines auf etwa fünf Millisievert pro Jahr geschätzt – in den am schwersten betroffenen 120 km² sogar auf bis zu 65 mSv pro Jahr. Aufgrund der Erkenntnisse des BEIR VII-Berichts weiß man mittlerweile, dass solche Strahlendosen zu etwa fünf, bzw. 65 zusätzlichen Krebsfällen pro 10.000 Menschen führen dürften. Auch Soldaten wurden erhöhten Strahlendosen ausgesetzt. In den 1970er Jahren deckten Veteranen der Atomwaffentests auf, dass sie damals keine adäquate Schutzausrüstung hatten und in Flugzeugen ohne Druckkabinen die radioaktiven Wolken durchflogen. Ein Veteranenverband ermittelte unter den Teilnehmern der Testreihen zwischen 1982 und 2001 etwa 23 % höhere Krebsraten und eine 18 % höhere Krebssterblichkeit im Vergleich zur Normalbevölkerung.

Ausblick

Im Jahr 2009 wurde das unbewohnbare, kontaminierte Land rund um Maralinga symbolisch an das Tjarutja-Volk zurückgegeben. Eine Entschädigung ist für die meisten Betroffenen weiterhin nicht einklagbar, auch da sich die hohe bürokratische Beweislast zu ihren Ungunsten auswirkt. Krankenhausakten existieren oft nicht mehr und Aufzeichnungen über Strahlendosen unter den Veteranen sind unvollständig oder wurden aus den Archiven gelöscht. Für die indigene Bevölkerung sind die Hürden noch um ein Vielfaches höher. Es wurden bis heute keine epidemiologischen Untersuchungen an den betroffenen Bevölkerungsgruppen durchgeführt und die britische wie die australische Regierung tun sich schwer, Verantwortung zu übernehmen für die gesundheitlichen Folgen ihrer Atomwaffentests. Die australische Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs fand in einer Stellungnahme vor dem australischen Senat die richtigen Worte: „Wo Gerechtigkeit hinausgezögert wird, da wird sie verweigert.“ Diese simple Wahrheit gilt für Hibakusha weltweit – auch für die Aborigines und Veteranen von Maralinga.

Quellen

-30.164126, 131.6098