Ezeiza, Argentinien

Produktion / Herstellung
2005: Bewohner des Viertels Esteban Echeverría, in dessen Trinkwasserbrunnen verseuchtes, nicht für den menschlichen Verzehr geeignetes Wasser nachgewiesen wurde, fordern bei einer Demonstration die Versorgung mit sauberem Wasser. Trotz groß angelegter Protestaktionen der Anwohner gab es vonseiten der Verantwortlichen keine nennenswerten Reaktionen.

Der Atomkomplex Ezeiza befindet sich in einem Vorort der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires. Radioaktive Abfälle haben über Jahre zu einer Kontamination des Grundwassers der umliegenden Nachbarschaften mit Uran geführt. Mehr als 1,6 Millionen Menschen sind potenziell betroffen. Epidemiologische Studien zu den gesundheitlichen Folgen des Lecks wurden bis heute nicht durchgeführt, Regierung und Behörden lehnen jegliche Verantwortung ab.

Foto: 2005. Bewohner des Viertels Esteban Echeverría, in dessen Trinkwasserbrunnen verseuchtes, nicht für den menschlichen Verzehr geeignetes Wasser nachgewiesen wurde, fordern bei einer Demonstration die Versorgung mit sauberem Wasser. Trotz groß angelegter Protestaktionen der Anwohner gab es vonseiten der Verantwortlichen keine nennenswerten Reaktionen. © argentina.indymedia.org

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Hintergrund

Das argentinische Atomprogramm umfasste zu seinem Höhepunkt neun Uranminen und zwei Atomreaktoren in Buenos Aires und Cordoba. Seit 1997 sind alle argentinischen Uranminen geschlossen, wobei es jedoch Pläne gibt, die Sierra Pintada Mine in Mendoza und die Don Otto Mine in Salta wieder zu eröffnen. Die Nationale Atomenergiekommission CNEA, die an den Standorten Bariloche, Constituyentes und Ezeiza Atomforschung betreibt, koordiniert das argentinische Atomprogramm. Zwischen 1987 und 1994 belieferte Argentinien den Iran mit Uran und anderen, für ein Atomprogramm benötigten Materialien. Nachdem der Iran beschuldigt wurde, seine zivilen Atomeinrichtungen für militärische Zwecke zu nutzen, wurde die Kooperation der beiden Länder nicht fortgesetzt.

Das Atomzentrum Ezeiza wurde 1951 als Atomforschungseinrichtung eröffnet. Heute erstreckt sich das Zentrum über ein Gebiet von acht Hektar und verfügt über Forschungsreaktoren, Produktionsanlagen für Radioistope und Atombrennstoff sowie über eine Anlage für die Verarbeitung und Lagerung von abgebrannten Brennelementen und anderem radioaktiven Abfall. Der hochgiftige Strahlenmüll wird in zwei, teilweise offenen, Abklingbecken gelagert. Es wird vermutet, dass aus diesen Becken radioaktive Stoffe ins Grundwasser übertreten. Es wäre nicht der erste Fall von radioaktiver Kontamination in Ezeiza. Bereits 1983 führte ein schwerer Unfall im Forschungsreaktor zum Entweichen von radioaktivem Material. Ein Arbeiter wurde einer Strahlendosis von 37 Sv ausgesetzt und starb zwei Tage später; weitere 17 Arbeiter erhielten Strahlendosen von bis zu 0,35 Sv.

Folgen für Umwelt und Gesundheit

Im Jahr 2000 führte eine gestiegene Zahl von Krebsfällen in der Nähe des Atomkomplexes zu Untersuchungen durch die Gesundheitsbehörden. Nachdem in ersten Grundwasserproben erhöhte Urankonzentrationen gefunden wurden, führten in den nächsten fünf Jahren die US-amerikanische Umweltschutzbehörde, die Universität von Buenos Aires und Greenpeace mehrere Studien durch. Es wurde vermutet, dass die unbedeckten Atommüllbecken auf dem Gelände des Atomkomplexes Leck geschlagen hatten. Die betroffenen Bezirke Ezeiza, Esteban Echeverría und La Matanza umfassen etwa 2.500 Hektar und sind der Wohnort von mehr als 1,6 Millionen Menschen. Verseuchtes, nicht für den menschlichen Verzehr geeignetes Wasser wurde in 74 % der 46 untersuchten Brunnenproben in diesen Bezirken nachgewiesen. Die Konzentration des strahlenden Giftstoffs Uran betrug dabei bis zu 34,5 mg/l – mehr als das Doppelte des WHO-Grenzwerts von 15 mg/l. Die darauf folgenden juristischen Auseinandersetzungen führten zu einer ausführlichen Untersuchung und schließlich 2005 zu einer gerichtlichen Verfügung, den Atommüll aus den unbedeckten Abklingbecken zu entfernen.

Die zuständige Nationale Atomenergiekommission lehnte die Verantwortung für das Leck ab und verwies in einem offiziellen Bericht auf die unterschiedlichen klimatischen Bedingungen, die während der Bauzeit der Abklingbecken in den 1960ern Jahren geherrscht hätten. Außerdem wurde betont, dass in Argentinien der Wasserschutzgrenzwert für Uran bei 100 mg/l läge, also dem Sechsfachen des WHO-Richtwerts. Dabei wurde nicht erwähnt, dass die Nationale Atomenergiekommission selbst Hauptverantwortlicher bei der Festlegung der nationalen Richtwerte gewesen war.

Ausblick

Informationen über die radioaktive Verseuchung rund um den Atomkomplex von Ezeiza sind für die Öffentlichkeit weiterhin nicht zugänglich. Die Regierung entzieht sich ihrer Verantwortung, die Bevölkerung vor der radioaktiven Strahlung zu schützen. Auch groß angelegte Protestaktionen der Anwohner, die sauberes Trinkwasser fordern, führten zu keinen nennenswerten Reaktionen. Trotz der Dokumentation des Anstiegs an Krebsfällen in der Region hat es bislang keine epidemiologischen Studien zu den Folgen der Strahlenbelastung gegeben. Neben unabhängigen Studien braucht Argentinien eine transparente Debatte über potenzielle gesundheitliche Folgen der Atomenergie und vor allem neue Richtwerte für die zulässigen Höchstgehalte von radioaktiven Substanzen in Nahrung und Trinkwasser. Die Menschen von Buenos Aires wollen keine Hibakusha werden.

Quellen

-34.796008, -58.57309